
Hebamme
Claudia Hindenberg arbeitet seit über 20 Jahren als Hebamme und das aus Leidenschaft.
Zu sehen, wie neues Leben entsteht, ist eine ganz wundervolle Arbeit, so Hindenberg. Ein Job, in dem nie Routine aufkommt. Ein Job, der aktuell gefährdet ist. Ab Juli 2015 soll es für die Hebammen keine Berufshaftpflicht mehr geben. Das wäre das Aus für die Hebammen.
Hebamme Claudia Hindenberg gründete 2009 in Bad Tölz ein Geburtshaus. Sie ist ausgebucht, die Frauen entscheiden sich immer häufiger dafür, ihr Kind in einem Geburtshaus auf die Welt zu bringen. Auch nach der Geburt steht Claudia Hindenberg den jungen Eltern und Babys zur Seite. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Wer sich für den Beruf Hebamme entscheidet, tut dies aus Berufung, denn reich werden die tapferen Damen, die für viele Frauen eine wertvolle Unterstützung sind, nicht.
2800% Steigerung der Jahresprämie
Vor allem extrem teure Prämien für die Berufshaftpflicht machen den Hebammen seit vielen Jahren das Leben schwer. Musste Claudia Hindenberg 1992 nur knapp 180,- Euro im Jahr für ihre Berufs-Haftpflichtversicherung bezahlen, sind es heuer satte 5091,- Euro. Ein enormer Anstieg. Die Gebührenerhöhungen für die Hebammen verlaufen dagegen nur im Cent- Bereich. Eine Situation, unter der schon seit Jahren der Berufsstand der Hebamme leidet, so Susanne Weyherter vom Bayerischen Hebammen Landesverband: „Es gibt schon etliche Jahre Hebammenmangel, der sich in den letzten Jahren verstärkt hat. Geburtshäuser haben geschlossen, Hausgeburtshebammen haben aufgehört“.
Die Zahlen sind alarmierend. Jetzt hat auch noch die Nürnberger Versicherung angekündigt, sich Mitte 2015 aus den beiden letzten verbliebenen Versicherungskonsortien für Hebammen zurückzuziehen. Viele Hebammen bangen nun um ihre berufliche Zukunft, denn ohne Haftpflicht kann eine Hebamme nicht arbeiten.
Susanne Braun vom Münchner Geburtshaus hat schon seit Jahren Probleme neue Kolleginnen zu finden, da sich die Hebammen aus existenzieller Sicht nicht mehr in die Freiberuflichkeit wagen und für diese hohen Versicherungssummen sehr viel gearbeitet werden muss. Das Geburtshaus München ist aktuell noch nicht von einer Schließung bedroht, da die Anzahl der Familien, die ins Geburtshaus finden, immer noch sehr hoch ist. Wenn Susanne Braun aber weiter keine Hebammen findet und es für die Haftpflichtproblematik keine Lösung gibt, dann ist auch ein so großes Geburtshaus in Gefahr.
Claudia Hindenberg vom Geburtshaus in Bad Tölz kämpft ebenfalls an allen Fronten. Von einer Schließung bedroht ist aber auch das Tölzer Geburtshaus aktuell nicht, da die Nachfrage sehr groß ist. „Wenn wir aber im Juli 2015 keine Haftpflicht mehr haben, dann können wir aber dicht machen“, erklärt uns Hindenberg auf Nachfrage.
Geburtshäuser in Gefahr
Das Rosenheimer Geburtshaus konnte aufgrund der Situation über ein Jahr lang keine Geburten betreuen, so Hebamme Ana Schneider. Dort mussten sich die Hebammen dazu entschließen, einen Zuschlag für die Betreuung einer Geburt zu berechnen. Dieser Beitrag ermöglicht es den Hebammen die hohen Haftpflichtprämien zu bezahlen und junge Kolleginnen ins Team einzuarbeiten. Auch die Hebammen in großen Kliniken sind meist auf freier Basis tätig und von der Situation betroffen. Von dem her ist das keine Sache, die nur die was angeht, die sich für eine Geburt zu Hause oder im Geburtshaus entscheiden.
Stellt sich die Frage, warum die Prämien so erhöht werden mussten? Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft begründet dies in einer Pressemitteilung wie folgt: “Dank des medizinischen Fortschritts wächst die Lebenserwartung Schwerstgeschädigter. Pflege- und Therapiekosten fallen für einen deutlich längeren Zeitraum an: Von 2003 bis 2012 sind die Kosten für schwere Geburtsschäden um fast 80 Prozent gestiegen. Unterläuft bei einer Geburt ein Fehler und das Kind ist schwer geschädigt, leistet der Versicherer im Durchschnitt heute 2,6 Millionen Euro.“ Laut Versicherer entstehen in der Geburtshilfe verhältnismäßig wenige, dafür aber große Schäden, die für den Versicherer ein extrem schwer zu kalkulierendes Risiko darstellen, das in der Vergangenheit zu erheblichen Verlusten geführt hat. Infolge dessen sind die Beiträge, so der Versicherer, stark gestiegen.
Wenn im Juli 2015 auch die Nürnberger Versicherung sich zurückzieht, dann sieht es düster aus für Deutschlands Hebammen. Laut Susanne Weyherter vom Bayerischen Hebammen Landesverband gibt es noch ein Angebot eines Versicherers, das deutlich teurer und von den Leistungen schlechter ist, von dem her für den Hebammenverband indiskutabel.
Nun muss nach Lösungen gesucht werden. Die Hebammen Susanne Braun vom Geburtshaus München und Claudia Hindenberg aus Bad Tölz hoffen auf die Öffentlichkeit, wollen Eltern mit einbinden, streiken, protestieren und kämpfen. Hebamme Ana Schneider aus Rosenheim ist der Meinung, dass für die Risikoabsicherung durch die Haftpflichtversicherung eine öffentliche Stelle verantwortlich sein müsse, „schließlich sorgen Hebammen dafür, dass künftige Bürger wohlbehalten geboren werden“ so Schneider.
Politiker sind jetzt gefragt
Susanne Weyherter vom Bayerischen Hebammen Landesverband und die Versicherungswirtschaft fordern ebenfalls eine politische Lösung und sind in intensiven Gesprächen mit den verantwortlichen Politiker/innen. Die Problematik ist dort verstanden worden. Im Zwergerl Magazin Interview sagt Bayerns Staatsministerin Melanie Huml: „Bayern steht an der Seite der Hebammen. Ich unterstütze die Arbeit der Hebammen aus tiefer Überzeugung. Hebammen leisten vor, während und nach der Geburt Großartiges für die Familien…. Bayern hat sich auf Bundesebene erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Belastungen für die gestiegenen Kosten für die Berufshaftpflichtprämie von den gesetzlichen Krankenkassen möglichst ausgeglichen werden. Zudem sind die sonstigen Honorare für freiberufliche Hebammen rückwirkend zum 1. Januar 2013 um bis zu 15 Prozent erhöht worden.“ Eine Lösung, wie man ab Juli 2015 verfährt, ist aber nach wie vor noch nicht gegeben. Der Druck auf die Bundesregierung wächst und Bundesgesundheitsminister Gröhe wird zum Handeln aufgefordert, so Huml weiter: „Bayern hat Bundesgesundheitsminister Gröhe bereits aufgefordert, zügig auf Bundesebene eine langfristige Grundsatzlösung der Haftpflichtproblematik zu erarbeiten. Ich begrüße, dass der Bundesgesundheitsminister bereits den Dialog mit den Hebammen gesucht und eine interministerielle Arbeitsgruppe Lösungsvorschläge erarbeitet.“ Im April soll diese Gruppe ihren Bericht vorlegen, dann erwarten Deutschlands Hebammen und Eltern eine langfristige Lösung.
Deutschlandweit sind weiterhin Protestaktionen, Demonstrationen und Petitionen geplant. Auch im Internet gibt es einige Portale, über die ein jeder aufgefordert wird, die Hebammen zu unterstützen. Eines davon ist www.hebammenunterstuetzung.de, eine Gruppe, die als Elterninitiative gestartet hat und innerhalb weniger Tage mehrere tausend Mitglieder gewonnen hat. Die Initiatoren veröffentlichen hier alle Aktionen und Neuigkeiten und wollen „im Namen von Eltern, Schwestern, Brüdern, Omas, Opas, Tanten und Onkeln gemeinschaftlich für die freie Wahl des Entbindungsortes und für den Erhalt und das weitere Wohlergehen unserer Hebammen sorgen ... und somit auch für das Wohlergehen unserer Kinder, die hoffentlich in Zukunft noch zahlreich das Licht der Welt erblicken werden.“