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Viele Eltern sind im Jahr vor der Einschulung ihres Kindes besonders aufgeregt: Wird es den Übergang in die Schule gut bewältigen? Wird es erfolgreich lernen können? Wird es mit den anderen Kindern zurecht- kommen?
Infoabende zum Schulstart sind fast immer gut besucht – schließlich geht es um die Zukunft des eigenen Nachwuchses. Seit Ende September nun gibt es einen Film auf DVD, den man sich privat oder auch gemeinsam bei einem Kita-Elternabend anschauen kann: „Kindheit“ *.Hinter dem schlichten Titel verbirgt sich die Dokumentation über einen Kindergarten in Norwegen, außerhalb des Ortes am Waldrand gelegen. Die Kamera begleitet über ein ganzes Jahr hinweg vor allem die Vorschulkinder und den Alltag dieser Einrichtung. Deutsche Stimmen sind über den Originalton gelegt, einen Kommentar gibt es nicht – die Bilder sprechen für sich selbst.
Ein Kindergartenjahr mit Kamerabegleitung
In Deutschland gibt es vergleichbare Wald-Kindergärten. Diese norwegische Einrichtung geht davon aus, dass Spielen die Arbeit des Kindes ist und das sechste Lebensjahr die Krönung der Kindheit. Der Film zeigt die Kleinen bei Baumkletterversuchen, beim Schnitzen von Stöcken oder dem Basteln von Puppen aus Kürbis, Zucchini und Aubergine. Ein Erzieher spielt den Kindern mit diesen Puppen sogar ein Theaterstück vor.
Was sehr rasch auffällt, ist die Zurückhaltung der Erwachsenen bei allen Streitigkeiten. Kinder können Vieles allein regeln, aber wenn nicht, dann wird ihnen natürlich geholfen. Die Erzieherinnen und Erzieher lassen alles zu, was niemandem weh tut. Die Kamera begleitet die Einrichtung auch im schneereichen skandinavischen Winter und zeigt, wie die Kinder sich draußen, aber auch vermehrt drinnen und ausgesprochen fantasievoll mit Basteln oder Verkleiden beschäftigen. An Ostern tauscht der Osterhase über Nacht ihm zugedachte Möhrenstücke in Schokoladeneier um.
Mit zunehmender Wärme wird im Frühling auch zunehmend wieder draußen gespielt. Besondere Aufmerksamkeit bekommt ein Vogelnest,in das man durch eine Glasscheibe hineinschauen und die Jungen sehen kann. Wie groß ist die Trauer, als in einem anderen Nistkasten tote Vogeljunge gefunden werden! Natürlich werden sie vom Erzieher und den Kindern anständig beerdigt. Beim Basteln von Stelzen und beim Trainieren des Laufens damit zeigt sich, wer von Anfang an großes Durchhaltevermögen besitzt. Am Ende aber kommen alle zum Erfolg. Schließlich erleben wir noch die Feier eines siebten Geburtstags mit und die letzte Obstzeit vor den Sommerferien, bevor die „Großen“ von ihren Eltern zum letzten Mal abgeholt werden. Dabei fließt so manche Träne, auch bei den Erwachsenen.
Kinder dürfen „ausspielen“
Was auffällt: Die Sechsjährigen müssen keine Minute ihrer Kindergartenzeitauf „vorschulische Fördermaßnahmen“ verwenden. Sie dürfen sich regelrecht „ausspielen“. Aber natürlich üben sie im Alltag den Umgang mit Schere und Messer, das Malen und Basteln, die Beobachtung der Natur sowie ihre körperliche Geschicklichkeit. So erwerben sie Grundfähigkeiten, die Schulanfänger brauchen. Lesen, Schreiben und Rechnen bleiben der Schule vorbehalten.Dafür kann diese von Kindern ausgehen, die sowohl fantasievoll und kreativ sind als auch ein positives Sozialverhalten aufweisen. Leider sind solche Kindergärten bei uns wie auch in Norwegen seltene Ausnahmeerscheinungen. Doch der Film zeigt, dass ein freies Kita leben den Kindern Gelegenheit zur Entwicklung von Eigenschaften und Verhaltensweisen bietet, die kein Vorschultraining hervorzubringen vermag. Das könnte fruchtbare Diskussionen über den Stellenwert von vorschulischer Förderung auslösen.