
Ein harmonisches Familienleben mit Kindern, die gut funktionieren, sich stets benehmen und nur selten mit ihren Geschwistern streiten, das ist das, was Eltern sich wünschen. Doch in der Realität sieht es oft anders aus und der häufige Wunsch der großen Geschwister, zum Beispiel „das neue Baby wieder zurückzugeben“, scheint sich wie ein roter Faden durchs Familienleben zu ziehen. Ein Trost gleich zu Beginn: Streit ist etwas ganz Normales und sehr gesund, auch wenn es manchmal fast schon wehtut. Streitende Geschwisterkinder können Eltern den letzten Nerv rauben und so manche Familienausflüge, Feste und Urlaubsfahrten enden in einem ziemlichen Desaster.
Warum streiten Kinder?
Die Frage, warum sich die eigenen Kinder ständig und mit wachsender Begeisterung „die Köpfe einschlagen“, ist nicht eindeutig zu beantworten. Je nach Alter und Situation ist das natürlich sehr unterschiedlich. Kleine Kinder bis etwa drei, vier Jahren zanken sich oft um Spielzeug, verteidigen ihre Besitztümer und stecken ihr Revier ab. Bei älteren Kindern können Sie bei genauerer Betrachtung feststellen, dass die Streitereien oftmals einem gleichen Muster folgen. Sehr häufig geht es nur darum, die Aufmerksamkeit von Mama oder Papa zu gewinnen. Geschwister rivalisieren sehr häufig untereinander und eifern um die Gunst der Eltern. Kommen Mama und Papa bei einem Krach herbeigeeilt und ergreifen Partei, so malen sich die Kinder dann aus, wen die Eltern wohl lieber haben. Eine kniffelige Situation, in der viel Feingefühl gefragt ist. Sätze, wie „das ist aber ungerecht, immer nur ich!“ verdeutlichen nur, worum es tatsächlich geht.
Wie sollen die Eltern reagieren?
Wenn sich die Kinder ununterbrochen streiten und keine fünf Minuten vergehen, ohne dass wieder einer schreit und prügelt, dann kostet das Eltern sehr viel Kraft und Energie. Und auch wenn Streit unter Kindern und vor allem unter Geschwistern die normalste Sache der Welt ist, sollten sich Mama und Papa doch einmal an die eigene Nase packen und ein paar Dinge für sich abklären. Zum einen sind Eltern natürlich große Vorbilder für Kinder und die bekommen ganz genau mit, wenn Mama und Papa im Clinch liegen. Fragen Sie sich einmal, wie Sie denn streiten. Bleiben Sie (zumindest einigermaßen) sachlich und ruhig? Zeigen Sie auch, dass man Lösungen finden und sich wieder vertragen kann? Dann ist Streiten vor den Kindern erlaubt, denn hier können die Kleinen viel lernen. Vorausgesetzt, Sie streiten nicht jeden Tag, rund um die Uhr. Zum anderen sollten Sie sich überlegen, ob Sie vielleicht tatsächlich zu häufig für eins der Kinder Partei ergreifen. Meist nehmen Eltern die Kleineren, vermeintlich „Schwächeren“, in Schutz und verlangen von den Großen Verständnis und Nachsicht. Überprüfen Sie einmal Ihr Verhalten gegenüber Ihren Kindern. Bekommt eines, aus welchem Grund auch immer, mehr Aufmerksamkeit und mehr Liebe? Allen Kindern gerecht zu werden ist eine der größten Herausforderungen für Eltern. Die Kinder haben unterschiedliche Ansprüche, Stärken und Schwächen. Eltern haben hier die große Aufgabe, auf alles gerecht und gut zu reagieren und herauszufinden, was welches Kind besonders braucht. Kein Wunder also, dass das auch manchmal etwas schief geht. Mit dem Herz aber am rechten Fleck und mit der steten Bemühung, das alles zu berücksichtigen, können nur verzeihbare Fehler entstehen. Streitereien unter Kindern können ganz gut als Barometer genutzt werden und ab und zu dazu anregen, über das Familiengefüge wieder einmal nachzudenken. Denn auch in einer Familie kann man „betriebsblind“ werden. Seien Sie nur nicht zu streng mit sich selbst: dass Kinder streiten ist ganz normal und nicht Ihr Fehler! Nur manchmal können Sie eben mit etwas Eigenkritik Ihren Teil dazu leisten, dass Kinder sich gerechter behandelt fühlen und deswegen vielleicht ein bisschen weniger streiten.
Streitregeln
Wichtig ist, dass Sie mit Ihrem Partner an einem Strang ziehen und das Vorgehen in Streitsituation absprechen und angleichen. Legen Sie ein paar grundsätzliche Dinge fest: schlagen, kratzen, beißen und Ähnliches ist verboten. Auch Schimpfworte und Gemeinheiten dürfen nicht benutzt werden. Vor allem große Kinder können sehr gut verstehen, dass man auch verbal sehr verletzend sein kann. Untersagen Sie das und machen Sie deutlich, wie schlimm Worte für den anderen sein können. Grundsätzlich ist es bei einem Streit nicht leicht zu erkennen, wer, warum und wie Schuld hat, und wie es dazu gekommen ist. Experten empfehlen deshalb, keine Partei zu ergreifen und neutral zu bleiben. Ist der Streit nicht zu heftig, so verdünnisieren Sie sich einfach und lassen Sie die Kinder alleine Lösungen finden. Gehen Sie aus dem Zimmer oder telefonieren Sie und signalisieren Sie damit, dass Sie nun nicht bereit stehen und auch gar kein Interesse an dem Streit haben. Das bringt den Vorteil, dass die Kinder angeregt werden, selber Lösungen und Kompromisse zu finden. Außerdem wird das Ziel, Ihre Aufmerksamkeit zu ergattern, verfehlt. Wenn die Situation aber eskaliert, sollten Sie natürlich eingreifen. Im besten Fall relativ ruhig und bestimmend, auch wenn das oftmals die eigentliche Herausforderung für Eltern ist! So „entspannt“ wie es die Situation zulässt, stoßen Sie dazu, trennen die Streithähne und schicken sie in verschiedene Zimmer. So können sich die erhitzten Gemüter wieder beruhigen und mit klarerem Kopf lassen sich gemeinsam Lösungen finden. Hören Sie sich zunächst an, was Ihre Kinder zu sagen haben und schlagen Sie nun verschiedene Kompromisse vor, ohne sich auf die Seite eines Kindes zu stellen. Geben Sie den Kindern etwas Zeit, oftmals kommen sie von ganz alleine auf gute Ideen und sind dann meist sehr stolz, dass sie den Streit beenden konnten.
Wenn Sturköpfe zusammentreffen
Obacht ist geboten, wenn zwei Sturköpfe zusammentreffen. Dann darf man nicht zu verbissen sein. Manchmal ist es auch schon ein Erfolg, dass man sich einigt, dass es keine Einigung gibt. Wichtig ist nur, dass man sich wieder verträgt und die Sache einfach ruhen lässt und nicht bei nächster Gelegenheit wieder zum Zankapfel wird. Vermeiden Sie es, die Kinder zu vergleichen und Sätze wie „nimm Dir mal ein Beispiel an deinem Bruder/deiner Schwester“ schaffen nur neue Eifersucht und der nächste Streit steht schon ins Haus.
Streit ist wichtig!
Dass Kinder streiten ist nicht das Problem, ganz im Gegenteil. Es geht nur darum, wie gestritten wird. Wenn Sie hierbei Unsicherheiten haben und befürchten, dass die Streitigkeiten ihrer Kinder aus dem Ruder geraten, so scheuen Sie sich nicht, Hilfe zu holen. Meist kann der Kinderarzt Ihnen gute Adressen nennen, bei denen Sie erste Beratungs- gespräche bekommen. Zanken sich Kinder außerhalb der Familie, so können sich die Kinder einfach aus dem Weg gehen. Eine Lösung oder ein Kompromiss ist mit Freunden nicht immer möglich. Anders ist das in der Familie, hier muss man zusammen leben und Möglichkeiten finden, wie man das einigermaßen harmonisch tun kann. Das ist die große Chance für Geschwisterkinder: zu lernen, wie man sich zusammenrauft. Daheim in der Familie können die Kinder ihren Gefühlen freien Lauf lassen, ausflippen, ausrasten und nichts passiert, die Familie läuft nicht weg, sie bleibt. Was aber passiert, ist, dass die Kinder nun Wege und Ideen entwickeln müssen, wie man sich immer wieder vertragen kann. Sie lernen dabei, wie man auch mal nachgeben und sich entschuldigen kann. Sie werden aber auch erfahren, dass sie Recht bekommen und es richtig war, sich für sein eigenes Interesse einzusetzen. Das stärkt das Selbstbewusstsein und die Sozialkompetenz der Kinder und bereitet sie auf das Leben vor. Konflikte und Ärger wird es immer geben.
Früh übt sich
Wenn sie aber schon von klein an in der sicheren Umgebung, nämlich innerhalb der Familie, gelernt haben, wie man damit umgehen kann, so sind Kinder gewappnet fürs Leben. Das bedeutet natürlich nicht, dass diese Fähigkeit Einzelkindern vorenthalten bleibt, nur weil sie keine Geschwister hatten, mit denen sie sich reiben konnten. Wichtig ist nur, dass auch Einzelkinder ausreichend Kontakt mit anderen Kindern haben, in Spielgruppen, im Kindergarten, in der Schule und im Sportverein. Auch hier gibt es genügend Konflikte, bei denen Einzelkinder sehr viel soziale Kompetenz erlernen können. In dem Fall wäre es wichtig, den Kindern auch wirklich die Möglichkeit zu geben, den Streit zu lösen, auch nach Schulschluss oder nach dem Sport. Denn, wie sagte einst eine weise Frau: „Nicht jene, die streiten sind zu fürchten, sondern jene, die ausweichen.“