
Aber dann passiert es doch und der Tod ist auf einmal mitten unter uns. Oftmals schnell und unerwartet.
Zurück bleiben unendlich traurige und hilflose Menschen. Vor allem für Kinder ist es besonders schlimm, wenn ein naher Angehöriger stirbt. Sie sind oft noch zu klein, um zu begreifen, was hier passiert, warum Mama oder Papa nicht mehr nach Hause kommen.
Julia (Namen von der Red. geändert) wohnt mit ihren beiden Töchtern in München. Vor eineinhalb Jahren ist ihr Mann an Krebs gestorben. Mit gerade mal 31 Jahren. So hat sich Julia ihr Leben nicht vorgestellt, darauf war sie selbst nicht vorbereitet. Sie blieb zurück mit ihren beiden Mädchen Luisa und Amelie. Luisa war zu diesem Zeitpunkt drei Jahre, Amelie eineinhalb. Für Julia stand die Welt still, sie war unter Schock, das Ganze war wie ein schlechter Traum aus dem sie nicht mehr aufwachte.
Die ersten Tage nach dem Tod
Die ersten Tage nach dem Tod erlebte Julia wie in Trance. Es gab tausende Dinge zu tun. Die Beerdigung musste organisiert werden, Karten verschickt und Versicherungsunterlagen durchsucht werden. Beim Staat musste Julia Witwen- und Waisenrente beantragen und überhaupt gab es etliche Behördengänge. Freunde und Familienangehörige kamen und halfen. An die Beerdigung selbst kann sich Julia heute nicht mehr erinnern, alles ist vernebelt. Sie weiß nur noch, dass sie für ihre Mädchen weiter funktionieren musste. Eltern, die ihren Kindern vom Tod eines lieben Menschen erzählen müssen, sind oftmals hilflos und überfordert. Sie schirmen lieber die Kinder ab und verschweigen den Tod und erfinden Ausreden. Zum einen möchten sie die Kinder schonen, zum anderen haben Eltern oft Angst, dass sie sich dabei nicht unter Kontrolle haben und vor ihren Kindern in Tränen ausbrechen. Wer sein Kind tröstet und in den Arm nimmt, kann nichts falsch machen. Allerdings gibt es einige Formulierungen, die nicht besonders ratsam sind. Erzählen Sie zum Beispiel, dass die Oma eingeschlafen ist, haben Kinder Angst, dass sie beim einschlafen ebenfalls sterben müssen. Sätze wie „Die Besten müssen zuerst gehen“ lösen in Ihrem Kind vielleicht aus, dass es lieber nicht zu den Guten gehören will, sonst muss es ja auch sterben. Ehrliche Antworten sind meist der beste Weg. Wird dem Kind erklärt, dass die Oma sehr krank war, dann kann es verstehen, warum sie sterben musste. Für manche Menschen ist es sehr hilfreich, sich nochmals zu verabschieden, die Oma ein letztes Mal zu streicheln. Für andere wieder ist es falsch und der leblose Körper jagt Kindern und Erwachsenen Angst ein.
Julia erzählte ihrer großen Tochter von Anfang an ganz ehrlich, was passiert. Dass der Papa Krebs hat, was Krebs ist und dass der Papa wegen Krebs nun gestorben ist. Der Papa ist jetzt im Himmel, er ist ein Stern am Himmel, er ist ihr Schutzengel und schenkt ihr viel Mut. Wenn Kinder fragen wie denn der Himmel aussieht, müssen Sie gar nicht wirklich antworten. Stellen Sie die Gegenfrage „was glaubst du denn, wie es dort aussieht?“ und schon können sich die Kinder einen schönen Ort vorstellen, an dem es der Oma oder dem Papa besonders gut geht. Wenn Luisa besonders traurig war, schickte sie einen an einem Luftballon befestigten Brief an ihren Papa in den Himmel. Damit ging es ihr besser und Luisa hatte das gute Gefühl, mit Papa reden zu können.
Was ist richtig oder falsch?
Julia weiß, ein offener Umgang mit dem Verlust ist der beste Weg. Was ist richtig, was ist falsch? Das ist nur schwer zu beantworten, denn die Menschen sind verschieden und gehen unterschiedlich mit der Trauer und dem Verlust um. Eins bleibt aber gleich: letztlich ist man allein mit seiner Trauer. Freunde oder Verwandte sind hier vielleicht nicht immer die richtigen Ansprechpartner, da sie einfach oftmals viel zu verunsichert sind. Julia fand bei ihrer Familie Unterstützung. Trotzdem holte sie sich von Anfang an professionelle Hilfe. Sie ging in Therapie, besuchte Trauer-Seminare und Trauer-Gruppen und machte über mehrere Wochen eine Mutter-Kind-Kur. Julia tat es gut, andere junge Witwen und Waisen zu sehen, andere Geschichten zu hören und dabei zu erfahren, nicht nur mir und meinen Kindern geht es so.
Auch für ihre beiden Mädels organisierte Julia Therapien, in denen die Kinder spielerisch betreut werden. Dabei geht es nicht zwangsläufig um den Papa oder den Tod, es geht darum, die Kinder zu stärken und zu begleiten. Julia ist es wichtig, dass der Papa für die Kinder immer präsent bleibt. Luisa hat noch wirkliche Erinnerungen an den Papa und vermisst ihn. Die kleine Amelie kann sich nicht mehr an den Papa erinnern, dennoch weiß sie, dass es da einen wichtigen Menschen gab, und auch das vermisst die Kleine. Luisa erzählt ihrer kleinen Schwester oft vom Papa und wenn sie Blaubeeren essen, lachen alle, weil die der Papa so geliebt hat. Luisa bastelt oft kleine Dinge, die sie zusammen mit Mama ans Grab bringen darf. Und wann immer ihr Herz schwer wird, geht sie zu Mama und redet. Luisa weiß, dass auch die Mama oft traurig ist und den Papa gern wieder zu Hause haben will. Damit geht Julia ganz offen um, aber ihre Tränen versteckt sie und weint überall dort, wo sie allein ist. Mit Sicherheit für sie die richtige Entscheidung. In anderen Familien ist es wieder anders und Weinen vor den ist Kindern erlaubt und gut. Manche Kinder können so vielleicht lernen, dass trauern und weinen ganz normale Prozesse sind, die dazu gehören, die befreien und auch gut tun. Eltern haben hier eine besonders schwere Rolle: sie wollen die Kinder schützen und stark für sei sein, aber mit dem großen Verlust im Herzen schaffen sie das meist nicht. Und sie müssen es auch nicht. Auf die Fragen, wie Eltern sich am besten verhalten sollen, wie viele Tränen vor den Kindern in Ordnung sind und was nicht mehr vertretbar ist, darauf gibt es nur schwer Antworten. Hilfe aber bekommt jeder, der sie braucht in Therapien und bei professioneller Trauerbegleitung.
Kinder verarbeiten Trauer anders
Kinder verarbeiten Trauer auf ganz eigene Weise. Nur weil sie vielleicht nicht weinen oder traurig erscheinen, so ist es ganz sicher, dass sie durch den Verlust schwer traumatisiert sind. Laut Psychologen kann nicht verarbeitete Trauer zu Aggressionen, Entwicklungsrückständen und psychischen Schäden führen, die das Leben dauerhaft beeinflussen. Wichtig ist es deshalb, Kinder in ihrer Trauer nicht allein zu lassen. Julia ist für ihre beiden Mädchen immer da. Mitleid mit ihren Töchtern, weil diese nun Halbwaisen sind, hatte sie nie. Und genau das hilft ihr auch im normalen Umgang mit ihren Kindern. Luisa und Amelie können so ganz offen mit dem Tod umgehen und erzählen bereitwillig anderen Leuten, dass der Papa tot im Himmel ist. Wer darauf ganz unbefangen antworten kann und mit den Kindern ins Gespräch kommt, hilft den Kindern am meisten, den Tod als eine Sache zu sehen, die zum Leben dazu gehört.
Fazit
Wer um einen geliebten Menschen trauert, trauert sein Leben lang. Die Trauer wird immer ein Teil von einem bleiben, aber sie wird immer weiter in den Hintergrund geraten. Julia kann sich das noch nicht so wirklich vorstellen. Aber sie hat Ziele: weil Julia selbst keine wirkliche Trauerbegleitung für junge Witwen und Kleinkinder in München fand, will sie selbst aktiv werden. Im Herbst macht sie eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin für Kinder. Zusammen mit der Therapeutin ihrer Mädchen möchte sie dann Kurse für Erwachsene geben, damit diese Hilfe bekommen im Umgang mit ihren trauernden Kindern. Später will sie vielleicht auch noch Angebote für Kleinkinder schaffen, die nämlich auf ihre ganz eigene Art und Weise um den Papa weinen. Und wenn sie damit das Thema Tod etwas enttabuisieren kann, dann ist schon viel erreicht!